29.09.24
Kolja Kleeberg: Eine Montecristo No. 2.
MH: Du bist Sternekoch. Wie bist Du dazu gekommen?
KK: Durch Zufall und Glück habe ich schon meine Lehre in einer Sterneküche absolviert. Seither habe ich die Sterne nie verlassen. Sterneküche zieht sich durch mein ganzes Leben.
MH: Und wie bist Du zur Zigarre gekommen?
KK: Ganz ähnlich, durch Zufall und Glück. Als Junge entdeckte ich in einer Schublade meines Großvaters eine Pfeife, weshalb ich auch heute noch zwischendurch auch mal eine Pfeife rauche. Zur Zigarre brachte mich dann mein Vater. Meine Eltern lebten getrennt. Ich wuchs bei meiner Mutter in Koblenz auf. Wenn ich meinen Vater in Weinheim an der Bergstraße besuchte, ging es immer zuerst zum Zigarreneinkauf für das Wochenende in einem Geschäft am Bahnhof. Seither ist für mich Zigarre mit viel Emotion verbunden, das begann schon beim Einkauf. Mit 16 rauchte ich meine erste Zigarre und lernte vom Vater, wie damit umzugehen ist. Ich erinnere mich noch genau an diese erste Zigarre, eine leichte honduranische.
MH: Wie geht Zigarre und Küche zusammen?
KK: Was beides verbindet, ist Emotion und Kultur. Als wir 1997 das Restaurant „VAU“ in Berlin-Mitte mit dem Slogan „Genuss für alle Sinne“ gründeten, waren wir in Berlin Vorreiter in der Gastronomie. Mir war klar, dass es geniale Kombinationen von Zigarre und Speise gibt. Das ist nicht anders als beim Wein in Kombination mit dem Essen. Besonders gut mit einer Zigarre zu kombinieren sind z. B. Kalbsleber, Wild, Schmorbraten und natürlich Huhn in Schokoladensauce. Letzteres schreit förmlich nach einer Maduro. Die Montecristo No. 2, die ich gerade rauche, erinnert mich an ein Erlebnis mit dieser Zigarre in Kombination von Kalbsnierchen in Senfsauce, Kartoffelgratin und grüne Bohnen. Natürlich gibt es auch Speisen, die überhaupt nicht zur Zigarre passen wie z. B. Leipziger Allerlei und alle säurebetonten Gerichte.
Besonders zum Ende des Essens öffnet sich ein Füllhorn von Möglichkeiten, z. B. eine Mousse au Chocolat mit Tonka-Bohnen und einem Banjul dazu und zusammen mit einer Brasil. Wer eine einfache Regel will: je heller die Sauce, desto heller muss die Zigarre sein.
MH: All diese wunderbaren Möglichkeiten erschließen sich aber nur einem geschulten Gaumen. Wie kommt man dazu?
KK: Das ist wie bei der Musik, der Zigarre und beim Wein. Man muss mit allen Sinnen dabei sein. Das Tasten gehört z. B. bei der Zigarre selbstverständlich dazu, aber wir brauchen es sogar beim Wein: die Qualität des Glases oder die Elastizität des Korkens oder nimm das Hören des Knackens beim Essen einer perfekt gebratenen Rösti. Nur so entstehen die Macht und die Kraft durch die Wiederholung. Wenn ich z. B. zum ersten Mal eine rohe Erbse zerkaue, ist sie zunächst bitter, aber dann folgt diese Süße! Kochenkönnen ist wie Rauchenkönnen – beides entsteht durch Lernen. Man muss sich halt zweifach Zeit nehmen: für das eine, aktuelle Erlebnis, dann aber auch den Wiederholungen Zeit lassen.
MH: Welches Getränk bevorzugst Du zur Zigarre?
KK: Zu einer leichten Zigarre mag ich gerne einen restsüßen Riesling. Zum Kaffee eine Maduro. Mein Lieblingspairing ist Melasse-Rum (ich mag die Süße) und eine Macanudo Maduro dazu.
MH: Wie erscheint Dir die gegenwärtige Gastronomie?
KK: Ein Koch, der sich nicht den Sinnen öffnet, beschränkt sich selber und wird nie vollkommen werden. Zu den Sinneserfahrungen gehört unbedingt auch die Zigarre. Es muss in der Gastronomie mehr Möglichkeiten geben, Essen und Zigarre zu verbinden.
In Berlin hat sich gastronomisch viel getan, aber es verschwindet auch viel. Es ist schneller geworden. Berlin möchte sein wie New York und verliert dabei seine Langsamkeit. Die gibt es nur noch in Nischen. Es gibt zwar mehr Sternerestaurants, aber die Berliner Kneipenkultur wird immer dünner. Zwischen vietnamesischem Essen und den Sternen klafft ein Loch. Schawarma bekommst du immer öfter, dagegen ist die Currywurst auf dem absteigenden Ast.
MH: Hast Du schon einmal Zigarren direkt in Rezepten verarbeitet?
KK: Ja, ich habe versucht, zu Silvester ein Tabakeis zu machen, den Geschmack von Rauch und Tabak in die Eismasse einzubringen. Ich bin damit grandios gescheitert. Es funktioniert nicht. Zigarre in Ihrer reinen Form ist der beste Weg, Tabak zu genießen. Zigarren zum Essen ja, aber Zigarren essen nein.
MH: Du eröffnest ein neues Restaurant?
KK: Ja, in der Hannoverschen Straße das „Büdchen“. Es wird samstags und sonntags geschlossen bleiben. So habe ich am Samstagabend die Möglichkeit Zigarrendinners anzubieten.
MH: Wir sind im neuen Geschäft von Zigarren Herzog in der Suarezstraße. Gefällt es Dir?
KK: Ich will, wie gesagt, beim Einkauf Emotionen spüren. Bei Zigarren Herzog wird Zigarrenkultur präsentiert. Visuelle Schmeicheleien gehören dazu - ich mag sie gerne.
MH: Du bist auch Musiker
KK: Ja, das hat viel mit der Zigarre zu tun: Blues und Country-Musik entstanden in juke-joints und da wurde geraucht, was das Zeug hält. Mein Vorbild ist Robert Johnson. Er war leidenschaftlicher Zigarrenraucher und Bluesmusiker. Schwerer schwarzer Blues entspricht einer süßen Maduro. Dabei geht es oft um Liebe – und das kann man auch von der Zigarre sagen.
Anlässlich der Unterhaltung zwischen Maximilian Herzog und Kolja Kleeberg entstand ein Rezept exklusiv für Zigarren Herzog. Das vollständige Rezept finden Sie HIER
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