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01.04.24

KULTUR - Auf eine Zigarre mit_ HHT

KULTUR // Auf eine Zigarre mit... Hans-Hermann Tiedje


Maximilian Herzog: Mark Twain hat gesagt, ohne Zigarre könne er keinen längeren Text schreiben. Geht es Dir auch so?
Hans-Hermann Tiedje: Feststeht: Wenn ich schreibe, dann am liebsten mit einer Zigarre im Mund. Ich kann im Rauch und bei einer Zigarre einfach besser denken. Kurz: Mark Twain hatte Recht.

MH: Welche anderen Persönlichkeiten fallen Dir ein, die überzeugte Zigarrenraucher sind?
H-HT: Naturgegeben eine Menge. Zum Beispiel Arnold Vaatz, bis vor zwei Jahren Vize- Fraktionschef der CDU/CSU im Bundestag. Vaatz kam vom Neuen Forum, er war immer hochgeschätzt von Helmut Kohl. Arnold Vaatz ist bis heute ein beeindruckender Freigeist. Mehr davon täte der Union in dieser Zeit gut. Aber wahrscheinlich gibt es nicht viele Klardenker von seinem Format. Oder nehmen wir Wendelin Wiedeking, der war sechzehn Jahre Vorstandschef von Porsche und hat das Unternehmen in der Zeit zum wertvollsten Autohersteller der Welt gemacht. Seine Lieblingszigarre: Die Short Perfecto von Davidoff. Oder Josef Ackermann, der erfolgreichste Deutschbanker der Nachkriegszeit, der gerade seine Memoiren vorgelegt hat: „Mein Weg“, sehr zu empfehlen. Seine Lieblingszigarre: Montecristo No. 4. Was all diese Zigarrenraucher eint: Sie können klar denken und sie sind erfolgreich. Und wie es der Zufall in meinem an Zufällen reichen Leben so will: Ich hatte auch die Ehre, Zino Davidoff persönlich kennenzulernen. Er kam 1994 in die RTL-Late Night Show von Thomas Gottschalk, wo ich Redaktionschef war. Er trat gemeinsam mit Harald Juhnke auf, beide rauchten Zigarren, heute würde so was sofort skandalisiert. Davidoff war ein kleiner, extrem höflicher Mann. Mir brachte er als Geschenk für die Einladung eine von ihm signierte Kiste mit zehn verschiedenen Davidoff Zigarren mit. Ich habe sie weiter gereicht an einen Geeigneteren, den Mann, von dem ich das meiste über die Zigarren gelernt habe: Peter Tamm sr., der ja fast 25 Jahre Vorstandschef des Hauses Springer war. Über kein Geschenk hat er sich in meiner Anwesenheit mehr gefreut. Übrigens: Die Gottschalk-Sendung mit Davidoff hatte eine der höchsten Einschaltquoten überhaupt. Und dann das Finale: Es war Davidoffs letzter öffentlicher Auftritt, 14 Tage später war er tot. 

MH: Wie sieht Deine eigene Raucherbiographie aus? 
H-HT: Ich rauche seit meinem vierzehnten Lebensjahr. Es fing an mit Zigaretten, Collie 62. Mit knapp 30, als ich zu Burda wechselte, wurde mir eine Virginier empfohlen. Das war der Zwischenschritt zur Havanna. Seither bin ich den Puros aus Kuba treu geblieben – auch wenn sie langsam unbezahlbar werden. Aktuell rauche ich tagsüber fünf oder sechs Zigarillos und abends stets zwei Zigarren. Ich rauche auch zu Hause, meist zusammen mit meiner Frau, in meinem Büro. Sie ist der Zigarettenmarke Marlboro treu. 

MH: Hast Du eine Lieblingszigarre?
H-HT: Eine? Verschiedene! Sehr lange habe ich die Robusto von Hoyo de Monterrey bevorzugt. Auch die mittleren Formate von Quai d'Orsay haben es mir angetan. Sehr lange Formate rauche ich nicht so gern. Beispiel die Montecristo "A". Grandios, aber ihre Brenndauer ist mir zu lang. Und wenn keine Havanna in der Nähe ist, gibt es ja auch schöne Zigarren aus Nicaragua wie z. B. die Oliva. Die neue Antigua aus Deinem Haus finde ich sehr gut, bis zur Hälfte, dann schwächelt sie etwas. Alles in allem: Leider geht nichts über eine gute Havanna. 

MH: Hat sich ein Ereignis um eine Zigarre besonders in Deinem Gedächtnis festgesetzt? 
H-HT: Während des Wahlkampfs von Helmut Kohl gegen Gerhard Schröder 1998 gab es eine tägliche Morgenbesprechung, um acht Uhr in Kohls Büro. Da war ich als sein Berater täglich dabei. Kohl hatte mit dem Pfeife-Rauchen aufgehört, liebte aber den Duft von Zigarren und Pfeifen. Regelmäßig ermunterte er mich: „Steck dir einen Zigarillo an, ich rieche das so gern.“ Dem bin ich oft mit großem Vergnügen nachgekommen, sehr zum Widerwillen einiger anderer prominenter Sitzungsteilnehmer. 

MH: Bevorzugst Du ein bestimmtes Getränk zur Zigarre? 
H-HT: Whisky oder Brandy! Mit Whisky ist ausdrücklich Scotch gemeint. Cognac oder Armagnac passen weniger. Abends trinke ich gerne Rotwein, aber selten zur Zigarre. In dem Zusammenhang erinnere ich mich an den leider verstorbenen Filmproduzenten Carl Spiess, der ständig weltweit bei Dreharbeiten unterwegs war, auch in unwegsamen Gegenden, und der mir mal sagte: „Wenn man Dich in einer E-Klasse von Mercedes zum Set transportiert und Du hast eine Havanna in der Nähe und einen Chivas Regal im Hotel-Kühlschrank: Worüber willst Du klagen?“ 

MH: Wie siehst Du die politische Zukunft des Zigarrengenusses? 
H-HT: Das hängt ganz von den Wählern und den künftigen Regierungen ab. Wollen wir mehr Sozialismus oder wollen wir mehr Freiheit? Wollen wir mehr Staat, mehr Vorschriften, mehr Schilder auf den Straßen, oder wollen wir von allem weniger? Ich bin für die zweite Variante. Ich bin von Geburt an völlig neidfrei, und deswegen bin ich völlig ungeeignet, Sozialist zu werden. Beispiel: Wenn ich einen ungewöhnlich erfolgreichen Menschen kennenlerne, lautet mein erster Gedanke: „Wie hat er das bloß gemacht, was kannst du von ihm lernen?“ Der Sozialist hat als ersten Gedanken: „Der Typ ist sicher reich geworden, weil er das Finanzamt belogen hat.“ Ich, Tiedje, bin Individualist aus Leidenschaft, meine Maxime: Jeder bitte nach seiner Façon. Ich will keinen Staat, der uns Bürgern vorschreibt, was wir zu tun haben oder was wir nicht tun dürfen. Die Erfahrungen mit Corona und wie der Staat sich da aufgeführt hat, könnten ja dem einen oder anderen zu denken geben. Das gilt auch für die Zukunft des Genusserzeugnisses Zigarre.



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