2. Abend: Aufbau, Zusammensetzung und Reifung der Havana, Formatenlehre, Kunst der Verpackung, Rollfehler und Falsificaciones.
Seinem Lieblingsschüler soll Brahms einmal eine Zigarre geschenkt haben. Der junge Mann dankte ihm für diese Ehre und sagte, er werde die Zigarre bis an sein Lebensende aufbewahren. Darauf nahm ihm Brahms die Zigarre wieder weg und gab ihm eine andere mit den Worten: Zum Aufbewahren tut\'s die auch. Was Brahms damals meinte, darum ging es auch in unserem zweiten Havana-Seminar: wie viel Arbeit und Erfahrung für die Produktion einer guten Zigarre nötig ist, zu viel, um sie nicht zu genießen. Da unsere zweite Seminar-Zigarre diesmal eine nicht nur etwas schwerere, sondern vor allem eine vom Format her größere Partagas Serie D No. 4 war, zündeten wir sie gleich zu Beginn an.
Passend konnten wir dabei einige der schönsten Stücke aus unserer Sammlung antiker Zigarren-Abschneider vorzeigen, die als eine der größten Deutschlands gilt: eine Schildkröte etwa, einen Siemens-Umschalter und eine Nackte auf einem Aschenbecherrand. Das Zigarrenrauchen beeinflusste im 19. und 20. Jahrhundert die Architekten, die nun mit Raucherzimmern planten, die Modedesigner, die den Smoking hervorbrachten, die Rechtshüter, die die ersten Zölle auf Tabak erhoben, und natürlich die Künstler. Sie entwarfen die Lithographien für Verzierungen von Zigarrenkisten und Zigarrenringen, von denen wir ebenfalls eine sehr umfangreiche antike Sammlung besitzen, in welche die Seminar-Teilnehmer Einsicht nehmen konnten.
Edle Verpackungen für edle Produkte: Geschätzte 150 Mal wird eine einzige Tabakpflanze vom Pflanzer in der Zeit bis zur Ernte überprüft. Am Aufwändigsten ist die Aufzucht der Pflanzen für die Deckblätter, die am Ende in 65 Farbschattierungen unterschieden werden und die immerhin 20 Prozent des Geschmacks einer Zigarre ausmachen. Bis zu drei, bei der neuen Maduro-Linie von Cohiba sogar fünf Jahre lagern die Blätter nach der Fermentation, bis sie in die Manufakturen kommen. An diesem Verarbeitungsprozess hat sich in den vergangenen 200 Jahren kaum etwas geändert. Auf die Frage nach dem Erkennen von Rollfehlern gibt es keine eindeutige Antwort.
Viele unserer Kunden meinen, je weicher die Zigarre, desto besser zieht sie. Das stimmt nicht, auch fest gerollte Zigarren können gut ziehen. Wichtig ist es, jede Zigarre auf Elastizität, auf Unregelmäßigkeiten und Knoten abzutasten, doch nicht immer sind dabei verdrehte Blätter der Einlage zu erspüren, die am Ende das Ziehen erschweren oder unmöglich machen. Die hohen Qualitätsstandards bei der Produktion der Zigarren wie auch ihrer Kisten machen es jedem Raucher eigentlich leicht, die echten von den gefälschten Havanas zu unterscheiden.
Als Anschauungsmaterial dienten gefälschte Cohiba-Kisten. Ihre primitive Art mit schlecht sitzenden Aufklebern, verschmiertem Klebstoff und Nägeln, die bis in den Innenteil ragen, waren für unsere Teilnehmer sehr überzeugend. Für Gelächter sorgte dann vollends der Inhalt der Kiste Esplendidos: Die Zigarren hatten unterschiedliche Farben, schlecht sitzende Ringe, minderwertige Deckblätter und als Krönung auch noch unterschiedliche Längen. Wer also Zigarren vermeintlich preiswert auf der Straße kauft, hat wohl eher eine Kiste mit gerolltem Tabakabfall oder sogar Bananenblättern erworben. „Echte" sind es auf keinen Fall.
Die Fortsetzung des Seminars folgt nächste Woche, dann mit Details über unsere Zigarren-Prüfung. Bis dahin arbeiten unsere Teilnehmer zu Hause weiter und schreiben die Geschichte eines kubanischen Deckblattes vom Samen bis zur Rollung auf.