Zigarrenringe: Wilhelm Berg über drei Jahrzehnte seiner Sammelleidenschaft Zigarrenringe sind ein Spiegel der Wirtschaft, der Machtverhältnisse und der Schönheitsideale jener Zeit, in der sie gefertigt wurden.
Die Geschichten, die in den kleinen Kunstwerken stecken, hat Wilhelm Berg seit 29 Jahren zu seiner Leidenschaft gemacht. Mit einem abendfüllenden Vortrag in unserem voll besetzten Hafenlager ließ er uns am 15. Januar daran teilhaben. Mit seiner ersten Zigarre sei auf Kuba auch sein Interesse an den kreativen Ringen entbrannt, erzählte Wilhelm Berg seinem zahlreichen Publikum. Damals rauchte der heutige Referatsleiter beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag eine Quai D\'Orsay. Dass er den Genuss auch seiner meisten anderen Zigarren selbst heute noch Revue passieren lassen kann, habe er seinem Hobby zu verdanken. „Schöne Zigarrenringe sind mehr als ein Marketing-Gag. Es ist die Erinnerung an eine schöne Zeit, die man durchs Sammeln noch ein Weilchen länger festhalten kann", beschrieb Wilhelm Berg eine seiner Intentionen.
Außerdem hält der gelernte Geograph Zigarrenringe für ein Stück Zeitgeschichte. Schnell sei ihm aufgefallen, dass Namen und Bilder auch die Vorlieben der Tabak-Produzenten, der Auftraggeber und nicht zuletzt der Konsumenten enthüllen. So sei es allein eine Männergesellschaft gewesen, die vor einem Jahrhundert zur Zigarre griff. Um den Absatz anzufachen, ließen die Hersteller deshalb erotische Idealgestalten von Frauen aufdrucken. Die abgebildeten Männer hingegen entstammten der Realität: Sie dienten als Hommage an Persönlichkeiten aus Politik und Monarchie, aus Wirtschaft und Militär.
Den Anfang mit personifizierten Zigarrenringen machte übrigens Don Pepino, einer der Inhaber von Romeo y Julieta. Mehr als 2000 Verschiedene soll er produziert haben. Einige galten den Recherchen unseres Sammlers Wilhelm Berg zufolge seiner Geliebten: Auf den Ringen der für Sie kreierten Marke ließ er den Namen der Schauspielerin Maria Guerrero aufdrucken. Später enthüllte unser Redner auch, wieso die Ringe stets mit so vielen goldenen Münzen verziert seien. „Gehen Sie mal mit einer Lupe ran", riet er. Erst dann werde erkennbar, dass es sich um Medaillen handelt, die einst auf Weltausstellungen „für hervorragende Produkte" wie eben jene Zigarren verliehen wurden. Auch nach beinahe drei Stunden voller Bilder und Anekdoten waren die Zuhörer im Hafenlager des Themas noch nicht müde. Was denn solche historischen Zigarrenringe kosten würden, von denen unser Redner gleich mehrere Alben mitgebracht hatte, wollte einer unserer Gäste wissen. 7000 bis 8000 Euro seien Sammlern manche der „normalen" antiken kubanischen Kunstwerke schon wert, erzählte Wilhelm Berg seinem staunenden Gegenüber.
Die teuersten, zu denen die von Partagas gehören sollen, lägen sogar „im zweistelligen Tausender-Euro-Bereich". Die „blaue Mauritius" unter den Ringen, wurde für 120 Teilnehmer am Dinner zu Ehren der ersten Transatlantik-Kabelverbindung 1866 hergestellt. Von diesem Ring sind heute weltweit nur noch drei existierende Exemplare bekannt - allesamt in Privatbesitz und unverkäuflich. Einige Aficionados nennen die Ringe auch „Bauchbinde" - eigentlich ein Kleidungsstück, das heute zum Smoking getragen wird. Dank Wilhelm Berg wissen wir jetzt endlich, woher diese Namensverschiebung kommt. Lord Lonsdale, nach dem bekanntlich das elegante schlanke Format benannt wird, war auch Präsident der britischen Boxing-Association. In dieser Funktion liess er die Champion-Auszeichnung in Form eines Zigarrenrings herstellen. Und diese Auszeichnung tragen die Boxer noch heute - um den Bauch.
Natürlich wollten wir von Wilhelm Berg auch wissen, wie er über eine der großen Streitfragen unter Aficionados denkt: Soll der Zigarrenring beim Rauchen ab oder dranbleiben? Für unseren Sammler gibt es da gar keinen Zweifel. Er lässt den Ring bis zum Ende an der Zigarre, weil für ihn erstens beides zusammengehört und zweitens sich der Leim am Papier durch die natürliche Wärmeentwicklung leichter löst und keine Deckblattverletzungen hinterlässt.
Sein Votum also: „Erst die Zigarre, dann der Ring."