Nichtraucherschutz im Hafenlager:
Die brisanten Thesen des Zigarrengenießers und Berliner Ärztekammerpräsidenten Dr. Günther Jonitz Mit dem Auftritt des Berliner Ärztekammerpräsidenten Dr. Günther Jonitz begann bei uns ein Abend der Gegensätze. Immerhin drehte sich sein Vortrag in unserem Hafenlager ausgerechnet um den „Nichtraucherschutz" und war dennoch voller amüsanter Details. Und noch nie hatten wir in unserem Salon so viele Mediziner und gleichzeitig so viele Vertreter der Tabak-Industrie zu Gast.
Der Sprecher des Deutschen Zigarrettenverbandes war wohl der einzige, der an diesem Abend nicht wenigstens eine Zigarre rauchte. Aus Neugier auf unser Thema hatte Peter Königsfeld zwar extra einen Hamburg-Termin verkürzt, doch er war schlicht „zu erkältet, um genießen zu können". Demgegenüber standen die Mediziner unter unseren Stamm-Aficionados wie Dr. Henning Rosenberg oder Nadine Unterwalder, die den kühnen Thesen des Chirurgen vom evangelischen Elisabeth-Krankenhaus mit einer Havana in der Hand lauschten.
Günther Jonitz, übrigens sowohl im Vorstand der Bundesärztekammer und als Berater des tätig, war völlig klar, worauf er sich mit dem Abend bei uns eingelassen hatte: „Was ich heute hier tue, ist politisch unkorrekt." Besonders mutig war sein Auftritt vor allem zu diesem Zeitpunkt, denn als einer von nur zwei Favoriten für die Wahl zum neuen Bundesärztekammerpräsidenten hätten seine kritischen Worte gegen die scheinheilige Moral der Rauchverbots-Protagonisten für öffentliche Angriffe sorgen können. Deshalb haben wir unserem Gast versprochen, über seinen Abend bei uns erst sehr viel später zu berichten.
Als sich Dr. Jonitz seine erste Zigarre des Abends angezündet hatte, kommentierte er treffend, dass das Rauchen lediglich in der Öffentlichkeit als „moralisch verwerflich" gilt. Immerhin seien gerade Ärzte täglich mit den Folgen allzu heftigen Tabakgenusses konfrontiert, aber dennoch meistens selbst Raucher. So habe er nirgendwo einen so starken Konsum an Mahlzeiten und an Zigarretten erlebt, wie in der Gefäßchirurgie. Und dennoch ist das für Jonitz ebenso wenig ein „Anachronismus" wie sein Vortrag als zigarre-rauchender Ärtzekammerpräsident bei uns, denn: „Ich empfinde mich nicht nur als Arzt, sondern als freier Bürger."
Während sich unser Hafenlager angesichts der Vielzahl unserer Gäste bereits gut mit Zigarrenrauch gefüllt hatte, ging Dr. Jonitz selbstverständlich auch auf das Passivrauchen ein. Er erzählte uns, dass dem Robert Koch Institut zufolge die Belastung abhängig ist vom sozialen Status. So sollte die Politik nach Auffassung von Jonitz lieber den Ursachen dieses Phänomens nachgehen, denn die Verbote würden nur dazu führen, dass „die Leute draußen rauchen oder zu Hause, wo die Kinder sind". Selbst die habe ihm bestätigt, dass deshalb in Bezug auf das Passivrauchen genau das Gegenteil vom eigentlichen Ziel erreicht worden sei.
So hat Jonitz\' Ärztekammer der Politik für ein schärferes Rauchverbot in Berlin einer Anfrage der Politik zum Trotz auch keinen Rückenwind gegeben. Jonitz hatte gleich eine ganze Menge mutiger Ansichten für uns mitgebracht. So plädiert er für Raucherzimmer selbst in Krankenhäusern, weil für ihn jegliche „Zwangsentwöhnungsversuche bei Patienten" ein Verstoß gegen die Menschenwürde sind. Die Tabaksteuer würde Jonitz gern zweckgebunden zur Finanzierung der Krankenkassen einsetzen, Kneipenwirten würde er statt des Rauchverbots lieber bessere Abluftanlagen verordnen und die „unnützen" Pläne für abschreckende Bilder auf Tabakschachteln sofort streichen.
Die Frage unserer Gäste, ob politische Aktionen gegen eine weitere Ausweitung des Rauchverbots nötig seien, beantwortete Jonitz übrigens mit einem klaren: Ja, denn er fürchte sich vor dem Moment, wo „Gesundheitsapostel mir all das verbieten, was das Leben ausmacht: bewusster Genuss."
Jonitz erzählte uns, er sei als Kind unter Rauchern aufgewachsen und dennoch weder krank noch Kettenraucher geworden. Deshalb zitiert Jonitz gern eine These, die der Arzt und Philosoph Paracelsus bereits vor beinahe 500 Jahren verbreitete:
Allein die Dosis mache, dass ein Gift ein Gift ist.